So. 9.2.2025 Enttäuschung – Den Traum mit der Wirklichkeit tauschen (Pfarrer Hans Lagler)
Schwestern und Brüder in Christus!
Diese Erfahrung ist immer und überall zu finden: Nach einem grandiosen Anfang kommt eine Zeit der Ernüchterung. Da ist ein junges Paar Hals über Kopf verliebt und schwebt im siebten Himmel. Mit der Zeit spürt man auf einmal die Ecken und Kanten des Partners, der Partnerin. Der Alltag wird schön langsam spürbar.
Da eröffnet jemand eine Konditorei und alles läuft sehr gut. Alle kommen in das Lokal um es einmal zu erproben. Es klingelt in der Kassa und dann wird es doch mit den Wochen wieder ruhiger mit den Gästen. Der Alltag macht sich bemerkbar.
Mit Glaubenserfahrungen ist es genauso. Neben Sternstunden von religiösen Erlebnissen kommt dann die Zeit der Bewährung. Halte ich ehrlich durch, was Gott von mir erwartet?
In der Beziehung, in der Familie, im Berufsleben, im Alter und in Glaubenserfahrungen wird es immer wieder Enttäuschungen geben. In diesem Wort Ent-täuschung liegt ein Sprachgeheimnis, das wir nicht übersehen dürfen. Wir tauschen unsere Erfahrungen, die vielleicht gar nicht der Wirklichkeit entsprechen mit der harten Realität ein. Das ist eine heilsame Erfahrung.
Aus einem „Liebe macht blind“, wird eine wahre Liebe die sehend macht. Im Beruf gibt es nicht nur den Zauber des Anfangs, sonders es braucht auch ein ehrliches Bemühen um Qualität und Fachkompetenz, damit die Kunden nicht ausbleiben. Echter Glaube ruft nach Treue und Beständigkeit, damit unser religiöses Empfinden keine Seifenblase wird.
Persönlich ist es für mich immer eine große Enttäuschung, wenn im politischen Bereich plötzlich prominente Persönlichkeiten über Nacht verschwinden. Da garantiert ein Mensch eine gewisse Einstellung und bittet um Wählerstimmen und ist dann auf einmal von einer Sekunde auf die andere doch wieder ausgetauscht. Ent-täuschung.
Heute erfahren wir in den Enttäuschungen unseres Lebens wieder neu den Grund auf dem wir stehen und wir dürfen an diesem Wortlaut festhalten: Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift und ist begraben worden. Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift und erschien dem Petrus, der auch Kephas genannt wird – der Fels und dann den Zwölf. (1 Kor 15,1)
Dieses Fundament ist die Grundlage für ein erfülltes Leben in privater, beruflicher und religiöser Hinsicht im auf und ab des Lebens. Das ist der Eckstein in guten wie in bösen Tagen unserer Biografie um hier einen Gedanken des Eheversprechens anklingen zu lassen.
Wir sind alle Suchende und dürfen immer wieder dazulernen. Jesus spricht heute den enttäuschten Petrus an: Fahr nochmals hinaus auf den See. (Lk 5,4) Der Herr schenkt ihm als Sinnbild einen großartigen Fischfang.
Für meinen Dienst als Pfarrer konnte ich ganz viel in meinen Kaplanspfarren Purgstall, Zwettl und Krems lernen. Besonders in der Wachau erlebte ich viele Enttäuschungen und lernte so das wirkliche Leben kennen; da sind wir in Steinakirchen in einer ganz anderen Welt.
Ein Beispiel: Bei einer Taufe lud ich ein gemeinsam das „Vater unser“ zu beten. Es betete aber niemand mit mir mit. Ich dachte, vielleicht haben die Leute mich nicht verstanden, und wiederholte meine Einladung: Leider blieb ich beim Gebet wieder alleine und erlebte so eine große Enttäuschung, aber im Sinne dieser Predigt. Meine Vorstellung von einer heilen katholischen Welt, wie ich es vielfach im meiner Kindheit erlebt hatte, war zerbrochen. Ich durfte dieses Traumbild mit der Wirklichkeit eintauschen und erkennen, dass diese Familie das Vater unser entweder nie gelernt oder wie ein Kindergedicht aus der Volksschulzeit einfach vergessen hatte. Der Großvater hat mir aber meine Ratlosigkeit angesehen und versuchte beim Taufmahl zu retten was noch zu retten war. Er sagte: Herr Kaplan, sie müssen wissen wir sind eine sehr katholische Familie. Wir fahren sogar einmal im Jahr nach Maria Taferl.
Es werden uns im Leben Enttäuschungen nie erspart bleiben. Aus diesen Erfahrungen gilt es zu lernen, damit uns die Augen für die Wirklichkeit des Lebens geöffnet werden. Amen