Mi. 25.12.2024 Christtag – Haltet ein Tuch bereit! (Pfarrer H. Lagler)
Festlich versammelte Gottesdienstgemeinde!
Liebe Mitbrüder im priesterlichen Dienst!
Schwestern und Brüder in Christus!
Die Zeit des Advents bot in diesem Jahr eine einmalige Chance, denn der erste Adventsonntag fiel heuer genau auf den ersten Dezember. Für diese 24 Tage gab es in unserer Pfarre eine besondere Aufgabe, eine challange wie heutzutage manche sagen. Es lagen nämlich auf den Kirchenbänken 100 Stück des Lukasevangeliums auf. Dieses Buch über Jesus hat genau 24 Kapitel, also für jeden Tag ist eines vorbereitet. Da alle Exemplare sofort vergriffen waren, hoffe ich, dass diese kirchliche Hausübung von manchen genutzt wurde.
Hoffentlich wird jetzt niemand blass im Gesicht, denn dieses alltägliche Lesen ist ja im Trubel des Alltags gar nicht so einfach. Mit Schmunzeln denke ich da an einen Satz des Komikers Karl Valentin aus München. Er schrieb schon vor rund 100 Jahren folgenden Gedanken nieder: Wenn dann die stillste Zeit des Jahres wieder vorbei ist, wird es endlich wieder ruhiger.
Es kommt ja auch ein 1. Jänner, wo man mit dieser Leseübung wieder neu beginnen kann. Übrigens: Ich habe ein paar Lukasevangelien nachbestellt. Sie liegen beim Schriftenstand Pfarrhofseite auf – solange der Vorrat reicht.
Diese leicht lesbare Schrift über den Herrn wird uns im Kirchenjahr 2024/25 bei den Sonntagsmessen vorgelesen. Aber dieser scheibchenweise Vortrag birgt die Gefahr mit sich, dass wir den ganzen Überblick nicht wahrnehmen. Sie kennen das von einer festlichen Torte. Da wird ihnen ein großes Stück zum heißen Kaffee angeboten, wo „zli“ oder „urts“ draufsteht. Hat man sie vorher im Ganzen gesehen, versteht man dies sofort, da einen Teil der Mehlspeise mit der schönen Verzierung „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag“ auf den festlich gedeckten Tisch gestellt wird.
Mit dem Lukasevangelium ist es genauso. Liest man innerhalb weniger Wochen Tag für Tag einen Teil, so erhält man einen Gesamtüberblick der sich einzigartig präsentiert.
Natürlich habe auch ich bei diesem Adventvorsatz mitgemacht und dieses Buch der Bibel gelesen. Da ist mir etwas ganz besonders aufgefallen: Geschickte Frauenhände haben Jesus zu Beginn und am Ende seines Lebens im wahrsten Sinne des Wortes eingewickelt. Stofftücher rahmen das Leben des Messias ein. Vielleicht klingt einigen noch das Evangelium der Christmette im Ohr: „Und sie wickelten ihn in Windeln und legten ihn in eine Krippe weil in der Herberge kein Platz für sie war.“ (Lk 2,7)
Die stille heilige Nacht, war auf jeden Fall heilig, aber still war sie sicherlich nicht. Wenn ein Kind geboren wurde, liefen damals alle Frauen zusammen um der jungen Mutter beizustehen. In Spanien des Mittelalters war es vielfach der Brauch, Säuglinge bewusst in einem Stall zur Welt zu bringen. Den Menschen der damaligen Zeit war aber das damit verbundene Risiko nicht bewusst. Viren, Keime und Bakterien hatten nämlich ein ruhiges Leben, denn wie waren noch nicht entdeckt.
Am Karfreitag spielen Stofftücher ebenfalls eine große Rolle. Jesus wird vom Kreuz herabgenommen und nach jüdischen Brauch in ein Tuch gewickelt und bestattet. (Lk 23, 53) Das irdische Leben des Herrn beginnt in Windeln in einem fremden Stall und endet in ein Leinentuch gehüllt in einem Grab, das ihm nicht gehörte. Ostern und Weinachten gehören eng zusammen.
Die deutsche Theologin Regina Groot-Bramel fasst diese beiden Tuchmomente im Leben des Herrn großartig zusammen: Sie ruft uns allen zu: „Haltet ein Stück Stoff bereit, das nach Heimat duftet, eine Windel für alles was im Leben daneben gehen kann. Legt ein Tuch parat das zum Trösten und Auffangen bereit ist, denn nur so kommt das Reich Gottes Tag für Tag neu zur Welt.“
In diesem Sinn ist Weihnachten für uns ein neuer Auftrag. Nehmen wir diese Challenge an, damit wir alle für unsere Umgebung zum Segen werden. Amen
Lesung: Jes 9, 1 – 5 Evangelium: Joh 1, 14 -18